Grotesk: Häßliche Natur, schönes Holocaust-Mahnmal

Über eine zurückgezogene Spenden-Werbekampagne, die Claudia Schiffer begeistert

Von Volker Kempf  

Bild: Reinhard Falter

Eine pikante ideologisch-politische Auseinandersetzung im Jahr 2001 war der Konflikt um das Spendenwerbe-Plakat der Organisatoren des Holocaust-Mahnmals. Geworben wurde im Sommer 2001 mit dem Slogan: "Den Holocaust hat es nie gegeben!". Es gab einen riesen Medienwirbel, weil der Slogan als zustimmende Aussage mißverstanden werden könnte. Denn nur ganz klein darunter war zu lesen, daß der großgeschriebene Satz eine Aussage sei, die immer breitere Zustimmung in der deutschen Bevölkerung finde (ohne Belege dafür anzugeben). Und gegen diesen – angeblichen  Trend solle man bitteschön spenden, für ein hübsch-häßliches Beton-Mahnmal.

Was so gut wie nicht thematisiert wurde, das war das Motiv, das dem Slogan unterlegt wurde: Eine wunderschöne Naturlandschaft. Was hat der Auschwitz-Lügen-Satz mit schönen Bergen zu tun? Warum wird durch die Kombination von Text und Bild suggeriert, daß Holocaust-Leugner eine besondere Neigung für schöne Landschaften haben? Assoziativ kann man bei dem Abbild an Heimatliebe denken, an Alpenglühen und Schwarzwald, also an Dinge, die als typisch deutsch gelten.

Graziöse Naturlandschaften, wie sie in Deutschland sehr beliebt sind, werden verunglimpft; dagegen hilft auch nicht das Alibi, daß die Aufnahme gar nicht die Alpen, sondern ein nur ähnlich aussehendes ausländisches Gebirge zeigt. Denn nicht das tatsächlich Gezeigte, sondern das damit Gemeinte ist enscheidend.

 

Haben die abgebildeten schönen Berge laut Suggestion der Plakatgestalter etwas mit dem schlechthin häßlichen Holocaust zu tun, so sind die Berge nur deplaziert schön, also häßlich. Es ist traurig, wenn man vor lauter Greuel in dieser Welt überall, wo etwas schön ist, dahinter etwas Häßliches wittert. Damit ist der Punkt erreicht, an dem Dichten nach Auschwitz nicht mehr möglich sein soll (Adorno), was hierzulande in den 1950er und 1960er Jahren die Gemüter erhitzte. Ganz ähnlich soll heute der Genuß von Naturlandschaften nach dem Holocaust nicht mehr möglich sein, schon gar nicht deutscher Naturlandschaften. Deutsch wird zu einem Stigma, das Mahnmal zu seinem Symbol. Mit der Erinnerung an Vergangenheit hat das wenig zu tun. Denn ein Gebäude erinnert immer nur an die Gegenwart derer, die es errichtet haben. Eine Ruine hingegen zeugt von der Vergangenheit selbst. Deshalb:  Ja zum Gedenken an Originalen, aber Nein zum Holocaust-Mahnmal.  Das muß man um so deutlicher sagen, als eine prominente Person wie Claudia Schiffer gegenüber der Welt am Sonntag vom 27.10.2002 erklärt: “Dies ist eine Kampagne, die ich mit Stolz und besonderer Freude unterstütze”. Seit November 2002 wirbt das Top Model mit ihrer Stimme in einem Fernseh-Spot für Spenden zur Finanzierung des Betongebildes in Berlin.

(März 2002; aktualisiert am 11. November 2002, Bebilderung 04.01.2003).

Zur Vertiefung: V. Kempf: Stigma deutsch. Aufsätze zur Bewältigung einer beschädigten Identität, Frankfurt am Main, 2000.                

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