Anfang November 2003: Das rote Teufelchen lacht sich über das Mahnmal kaputt Von Jochen Hoff
Mein kleines rotes Teufelchen hängt über der Kante meines Monitors und versucht im Kopftstand zu lesen, was ich gerade lese.
Er erblickte den Spiegelartikel "Worüber regtst du dich auf" fragte er "Geht ja doch bloß wieder um dieses doofe Denkmal" "Nein"
antworte ich grinsend: "Diesmal geht es tiefer. Ein Denkmal und speziell dieses ist ja eh nur ein Haufen Steine. Aber diesmal haben sie sich selbst ausgetrickst." Teufelchen wuselt vom Monitor herunter und
setzt sich auf die Lautsprecherbox und liest. "Sag, daß das nicht wahr ist". Er schüttelt sich vor Lachen. "Doch ist es - es ist wahr und typisch. Typisch nach der deutschen
Nachkriegsgeschichtsklitterei" "Nur gut, daß der Speer schon tot ist, sonst hätten sie dem vielleicht die Bauleitung übertragen oder den Entwurf" Teufelchen kann es sichtlich nicht fassen.
"Aber du darfst doch gar nicht lachen" er schaut mich zweifelnd an "Du betonst doch immer, daß der Holocaust nie vergessen werden darf. Und daß die Kinder mehr darüber erfahren müssen." "Ist ja
richtig Teufelchen, aber ein Denkmal habe ich nie gefordert. Denkmal gleich denk mal wieder darüber nach. Oder noch schlimmer Mahnmal. Ich ermahne dich ernsthaft daran zu denken. Humbug" "Wir haben Orte des
Erinnerns mehr als genug - Dachau, Sachsenhausen , Buchenwald, Mauthausen, Ravensbrück, Auschwitz, Bergen-Belsen - wozu brauchen wir da ein paar Stahlbetonsteelen um an die Toten zu erinnern?" "Also du willst
kein Denkmal, aber nun bauen sie eines!" Teufelchen schüttelte den Kopf "Und die haben nicht darüber nachgedacht, wer das Ding bauen soll. Und das in Deutschland - ich fass es nicht." "Ja mein
Teufelchen, nach 45 wollten sie den schnellen Wiederaufbau. Da wurde entnazifiziert, daß es deinem Großvater dem Beelzebub eine wahre Freude war. Persilscheine ohne Ende." "Und außerdem haben sie ja die IG
Farben zerschlagen - damals mit der Zerschlagung begonnen, setzt sie sich bis heute fröhlich fort - sind ja auch auch erst 55 Jahre. Und so was braucht Zeit." Teufelchen schaute mich zweifelnd an "Du meinst
keiner hat gewusst, daß die Degesch, oder um genau zu sein, die Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH die das Zyklon B für die Judenvergasung geliefert hat eine Degussa Tochter war? Das weiss doch der kleinste
Teufel." "Besser noch Teufelchen. Die Degesch gibt's heute noch als Detia Degesch und sie produziert nach eigenem Bekunden seit 175 Jahren Schädlingsbekämpfungsmittel. Nicht lachen Teufelchen es
ist sehr traurig." "Aber eigentlich ist es doch eher witzig" Teufelchen räkelte sich an der Lautsprecherbox "Da produziert die Degussa, die ehemalige Mutter der Degesch nun das Mittel mit dem die
Steelen des Denkmals vor Schmierereien der Neonazis geschützt werden sollen." "Nicht merkwürdig Teufelchen sondern logisch und typisch deutsch. Das Zeug der Degussa ist bestimmt richtig gut und für das
Denkmal ist das Beste gut genug - die Degesch war damals ja auch Spitze." "Und Teufelchen, der Architekt des Mahnmals, Eisenman, war begeistert von der Ästhetik des Degussa-Produkts, und die Sprecherin
des Mahnmal-Vereins Quack hat festgestellt, daß der politisch-kommunikative Aspekt jedoch ins Hintertreffen geraten ist." "Die hat doch ne kommunikative Meis..." er brach ab und verschwand in
Deckung bevor mein Kugelschreiber ihn erdolchen konnte. "Klappe Teufelchen, sag du erst mal was schlaues in solch einer Situation und dann muss das ja auch noch in den Artikel kommen." "Aber
die Sache hat wirklich was - das Protectosil der Degussa schützt das Mahnmal für die Opfer des Holocaust, die mit dem Zyklon B der Degussa Tochter Degusch umgebracht wurden." "Und nun lässt Lea Rosh die
ganzen Steelen wie die Berliner Mauer zerschreddern, oder was?" Teufelchen kraulte sich behaglich den Bauch. "Nein Teufelchen, ich glaub eher nicht. Was wir nach 45 nicht bestraft haben, können wir heute
nicht bestrafen indem wir ein paar Steelen zermalmen. Aber vielleicht sind sie so schlau bei dem fertigen Mahnmal darauf hinzuweisen und damit einen Denk-mal-nach Anstoß zu geben" "Aber ich glaube, es wird
das gleiche wie mit der Wiedergutmachung - eine Katastrophe in sich."
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